Im allgemeinen Verständnis ist Fantasy das Genre, das am allerwenigsten mit Realität, Wahrheit oder gar Wirklichkeit zu tun hat. Vielmehr wird nicht selten mit dem Begriff des Eskapismus operiert, um das Genre zu definieren. Damit wird das Bedürfnis des Lesers oder Zuschauers beschrieben, in eine Welt einzutauchen, die nichts bis allenfalls entfernt mit seiner Wirklichkeit zu tun hat.
So schreibt ein Filmkritiker im Zusammenhang mit dem letzten Hobbit-Film, dass die Menschen heute besser über Mittelerde Bescheid wüssten als über die aktuellen Konflikte im Irak oder in anderen Regionen der Erde. Stimmt das? Könnte ein Genre wirklich so erfolgreich sein, wenn es nichts mit unserer Wirklichkeit zu tun hätte? Wohl kaum. Denn wir wissen doch aus wissenschaftlichen Forschungen, dass Menschen von Romanen und Spielfilmen begeistert sind, wenn sie etwas mit ihrer Realität zu tun haben. Wenn wir genauer hinsehen, dann finden wir sehr wohl Überschneidungen von Fantasy und Wirklichkeit.
Was macht Fantasy aus?
Bei Fantasy denken vielleicht viele als erstes an Drachen. Meistens verbinden wir dem Genre auch das Mittelalter, weil viele Autoren und Filmemacher ihre fantastischen Welten gerne mit dem düsteren Zeitalter des Mittelalters vermengen. Immerhin haben in dieser Epoche viele Mythen und Sagen rund um Ritter und Zauberer ihren Ursprung. Man siehe zum Beispiel die Artus-Saga. Andererseits kann eine Fantasy-Geschichte ebenso in der Gegenwart oder in der Zukunft spielen, wie an den Beispielen Avatar – Aufbruch nach Pandora und Stranger Things sehen kann.
Das Fantasy-Genre wird nicht nur von seinen fantastischen Welten und Helden definiert. Hinzu kommt das bezeichnende Motiv zweier gegensätzlicher Welten, die Alltagswelt auf der einen und die Anderswelt auf der anderen Seite. Damit ergibt sich für den Fantasy-Autor zugleich die Möglichkeit, mit der fantastischen Geschichte auf die ihn umgebende Wirklichkeit Bezug zu nehmen. Mit dem Zusammenprallen von Alltags- und Anderswelt kann er beispielsweise real-existierende Konflikte thematisieren.
Daneben handelt Fantasy von grundlegenden menschlichen Konflikten. In der Welt von Harry Potter beispielsweise geht es nicht nur um Zauberer und ihr Hokuspokus. Die Bestseller-Romane von Joanne K. Rowling und die nicht minder erfolgreichen Spielfilmadaptionen verhandeln darüber hinaus zeitlose Themen wie Freundschaft, Liebe, Loyalität und Wertebewusstsein. In Harry und seinen Freunden Ron Weasley und Hermine Granger sind die realen Gefühle und Gedanken, die Sorgen und Hoffnungen Millionen von echten Jungen und Mädchen hineinprojiziert. Und der fantastische Kampf der Zauberlehrlinge gegen die Bösewichte und Schurken spiegelt das unaufhörliche Ringen zwischen guten und bösen Mächten in unserer tatsächlichen Welt wider.
Das echte Fantasyerlebnis
Nein, gute Fantasy-Romane und -Filme sind durchaus von dieser Welt. Trotzdem wird gerade bei Filmen von Wirklichkeitsferne gesprochen. Ihre Welt wird als nicht „echt“ empfunden, wenn es nicht die großen Meisterwerke zum Beispiel von Peter Jackson sind. Fantasy braucht die aktive Teilnahme des Lesers oder Zuschauers. So sind Hörbücher zu Fantasy-Romanen ein hervorragendes Mittel, die eigene Fantasie in Gang zu setzen. Erst das Bild, das im Kopf entsteht, vermag die Empfindung einer tieferen Wirklichkeit in der Erzählung zu vermitteln.